Die Rückkehr des Smogs nach China – Warum Peking nur schwer dagegen ankommt (2024)

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Von: Christiane Kühl

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Die Rückkehr des Smogs nach China – Warum Peking nur schwer dagegen ankommt (1)

Jahrelang hat sich durch harte Maßnahmen die Luft in Chinas Städten verbessert. Doch seit Anfang des Jahres wird die Luft wieder dicker. Warum kommt Peking nicht dagegen an?

Peking/Frankfurt – Unwirkliches, gelb-schummriges Tageslicht und eine feine Schicht Sand auf Autos, Mauern oder Spielplätzen: Stürme, die feinen Sand aus der Wüste Gobi nach Peking trugen, gehörten früher in jedem Frühjahr zum Alltag. Ebenso wie drückende grau-neblige Dreckluft, die zu jeder Jahreszeit tagelang über Chinas Großstädten hängen konnte, vor allem in Norden. In den vergangenen Jahren aber war die Luft schrittweise besser geworden, dank Filtern in Schornsteinen, dem Umstieg von Kohle auf Gas bei der Heizung, dem Zubau erneuerbarer Energien sowie mehr Elektroautos und E-Bussen auf den Straßen.

Von 2013 bis 2022 ging die Konzentration der gefährlichen winzigen Feinstaubpartikel (PM2,5) in China nach Angaben des Umweltministeriums. „Diese Verbesserung der Luftqualität ist kein Zufall“, zitierte die japanische Zeitung Nikkei Asia Joyce Msuya, die damalige Interims-Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, im Jahr 2019 bei der Veröffentlichung einer Studie zu 20 Jahren Kampf gegen die Luftverschmutzung in Peking. „Sie war das Ergebnis einer enormen Investition von Zeit, Ressourcen und politischem Willen.“ Während der Pandemie sorgten Null-Covid-Politik und wirtschaftlicher Einbruch für noch bessere Luft, denn Fabriken reduzierten den Output, oder standen teils wochenlang still.

China: Seit dem Frühjahr wieder heftiger Smog über den Städten

Doch seit dem Frühjahr dieses Jahres ist der Smog zurück. Zuletzt vor wenigen Tagen posteten Bewohner:innen Pekings auf sozialen Medien Bilder, die es lange nicht gab: Hochhäuser, die in den tiefhängenden Smogwolken kaum zu sehen waren, ein alles umfassendes Graubraun. Dichter Smognebel reduzierte die Sicht in Peking auf 50 Meter. Behörden riefen die Menschen auf, zuhause zu bleiben.

Die Rückkehr des Smogs nach China – Warum Peking nur schwer dagegen ankommt (2)

Verstärkte industrielle Aktivitäten, schwerer Lastwagen-Verkehr und Feldbrände nach der Ernte hätten zu dem Smog beigetragen, berichtete der Staatssender CCTV. Der Stromverbrauch im Großraum Peking stieg demnach Ende Oktober im Vergleich zur ersten Monatshälfte um fünf Prozent an, vor allem in der Zement-, Ziegel- und Fliesenindustrie.

Auch im Frühjahr hatte Peking zwei Wochen unter einer Smogglocke gehangen; im April folgten schwere Sandstürme, hereingeblasen aus Wüsten der nordwestlichen Region Innere Mongolei. Sie färbten das Sonnenlicht fahlblau, wie Bilder zeigen. Die Luftverschmutzung habe allein 2023 in Peking bereits 27.000 Menschen das Leben gekostet und Schäden in Höhe von umgerechnet 13 Milliarden US-Dollar angerichtet, schätzt die Schweizer Firma IQ Air. Das Unternehmen stellt Luftreiniger her, wie sie in Wohnungen, Schulen und Büros der Hauptstadt mit leisem Surren Staub und Keime aus der Luft filtern. Und sie überwacht die Luftwerte in aller Welt. Während Chinas Metropolen noch in den Nullerjahren die Listen der verschmutztesten Städte anführten, rangieren auf der aktuellen IQ Air-Liste vor allem indische Städte in den Top 50. Manche Experten rufen Indien dazu auf, von China zu lernen.

China: Harte Maßnahmen zur Eindämmung des Smogs

2013 hatte Peking die erste landesweite Strategie gegen die Luftverschmutzung angekündigt. Damals sorgte der schlimmste Smog der Geschichte über Peking – bekannt geworden als ‚Airpokalypse‘ – für Wut in der Bevölkerung. Ein prominenter lokaler Unternehmer startete damals eine Kampagne zu mehr Transparenz über die Luftqualität und mehr Maßnahmen, und hatte damit angesichts der dramatischen Lage überraschend Erfolg. Seither gibt Peking täglich die Luftwerte der Großstädte bekannt.

2014 rief der damalige Ministerpräsident Li Keqiang zum „Krieg gegen die Umweltverschmutzung“ auf und gab der Kampagne damit zusätzliches Gewicht. Seit 2017 gibt es jährliche Aktionspläne zur Reduzierung der Emissionen in stark verschmutzten Regionen. Peking übte mit einer Kampagne ab 2018 Druck auf die Kommunen aus, Emissionen durch höhere Umweltstandards für die Industrie und weniger fossile Brennstoffe zu reduzieren. Seit 2015 wurden 32 lokale Regierungsbeamte für Versäumnisse bei der Kontrolle der Umweltverschmutzung zur Rechenschaft gezogen.

„2013 bis 2020 war das goldene Zeitalter für die Verbesserung der Luftqualität“, sagte Liu Bingjiang, im Umweltministerium für die Luftqualität zuständig, bei einer Pressekonferenz im Frühjahr. Dabei sei die Anpassung der Energiestruktur die wichtigste Maßnahme gewesen. Der Anteil der Kohle an der Stromproduktion ist von 75 Prozent auf die Hälfte gesunken; kein Land baut so viel Solar- und Windkraftwerke wie China. Spätestens ab 2030 soll der Kohleverbrauch zu sinken beginnen.

Die Kohle ist schuld an der Rückkehr des Smogs

Noch aber ist China abhängig vom Kohlestrom und der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen. Vor allem wird Kohle in der Volksrepublik nur zu 55 Prozent überhaupt für die Stromerzeugung verfeuert. Der Rest entfällt auf Schwerindustrien wie die Stahl, Zement oder Glasproduktion. Deren fabrikeigene Kraftwerke sind schlechter reguliert und schmutziger als die offiziellen Stromerzeuger.

Und sie laufen seit der Pandemie wieder auf Hochtouren – was nun für den Smog in Chinas Schwerindustrieregionen rund um Peking sorgt. „Die Reduzierung der Emissionen aus den Sektoren außerhalb der Stromerzeugung wird die größte Herausforderung sein“, sagte Liu. Fürs Klima und für die Luft.

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