Gamification liegt voll im Trend, verspricht doch die Anreicherung ganz normaler Tätigkeiten durch spielerische Elemente eine deutliche Steigerung der Motivation. Was im Arbeitsleben zu höherer Produktivität führen soll, verspricht im Bildungsbereich besseren Lernerfolg. An der Universität Düsseldorf werden bereits seit 2013 vermeintlich trockene Lehrinhalte über das interaktive Textadventure "Die Legende von Zyren" mit ergänzenden Seminar vermittelt
. Im selben Jahr erdachte der Highschool-Lehrer Shawn Young das für Schulklassen entwickelte Rollenspiel "Classcraft", dessen Name nicht zufällig an das beliebte Online-Rollenspiel "World of Warcraft" erinnert. Die Idee: Indem man die Schülerinnen und Schüler dort abhole, wo sie sind, und den Unterricht mit Rollenspiel-Elementen anreichere, steigere dies Motivation, Lernerfolg und Sozialkompetenz.
Spielverlauf
Bei "Classcraft" schlüpfen die Schülerinnen und Schüler in die Rolle virtueller Spielfiguren, deren Entwicklung über ein Punktesystem gesteuert wird. Je nach Verhalten im Unterricht gewinnt der jeweilige Avatar beispielsweise an Erfahrung oder verliert Lebensenergie. Die Spieler und Spielerinnen sind dabei in Teams eingeteilt und können sich innerhalb der Teams gegenseitig unterstützen. Im Gegensatz zu gängigen Online-Rollenspielen werden die Avatare eher verwaltet als tatsächlich gespielt, das heißt es gibt keine simulierte Spielwelt, durch die man sich bewegen könnte, sondern eine formularartige Bedienoberfläche, über die alle Spielereignisse durchgeführt werden. Die Benutzeroberfläche von "Classcraft" (siehe Screenshot 1), wird zum Beispiel über einen Beamer während des Unterrichts permanent angezeigt. Hierzu ist eine Internetverbindung erforderlich.
Jede Spielfigur verfügt über Lebensenergie (HP), Aktionspunkte (AP), Erfahrungspunkte (XP) sowie Goldstücke (GP). Diese eher nüchtern anmutenden Werte sind der Dreh- und Angelpunkt des Spiels. So werden Schülerinnen und Schüler für gute Antworten im Unterricht, soziales Verhalten etc. mit Erfahrungspunkten belohnt und verlieren im Gegenzug Lebenspunkte, wenn sie zu spät erscheinen oder die Hausaufgaben vergessen haben. Für welche Leistungen oder Versäumnisse es welche Belohnungen bzw. Strafen gibt, kann der Lehrende frei konfigurieren. Sollte die Lebensenergie einer Figur auf null sinken, stirbt bzw. fällt diese im Kampf. Sie kann nun von anderen Gruppenmitgliedern wiederbelebt werden oder sich aus eigener Kraft retten. Dazu muss eine Strafarbeit geleistet werden, wobei das Mitbringen eines Kuchens für die Klasse genauso möglich ist wie ein zusätzliches Referat.
Wenn die Schüler und Schülerinnen eine bestimmte Anzahl an Erfahrungspunkten hinzugewonnen haben, steigen sie eine Stufe auf. Dies ermöglicht es ihnen, neue "Fertigkeiten" zu erlernen. Diese ermöglichen beispielsweise, im Unterricht zu trinken, ein Fenster zu öffnen oder sogar mehr Bedenkzeit in einem Test zu haben. Hier soll die soziale Komponente des Spiels zum Tragen kommen, da viele der Kräfte auf andere Gruppenmitglieder angewendet werden können oder gleich die gesamte Gruppe betreffen. Neben der Punktevergabe bietet die Bedienoberfläche noch einige weitere Möglichkeiten. So wird zu Stundenbeginn das Zufallsereignis des Tages angezeigt, über das "Rad des Schicksals" kann jemand für eine Aufgabe ausgewählt werden und Hilfsmittel wie herunterzählende Timer als Zeitlimit für Freiarbeitsphasen lassen sich einblenden.
Nutzungsbedingungen
Die Grundversion erfordert lediglich eine kostenlose Registrierung. Die Lehrkraft kann selbst Log-ins für die Schülerinnen und Schüler anlegen, wobei die Eingabe von E-Mail-Adressen oder anderen persönlichen Daten nicht erforderlich ist. Wer monatlich 8–12 Dollar für die Premium-Version von "Classcraft“ bezahlt, kann sich ausführliche Statistiken der Schülerinnen und Schüler anschauen (Screenshot 2) und das Spiel als Kommunikations- und Lernplattform nutzen. Eine Gegenüberstellung der weiteren Unterschiede zwischen kostenloser und Premium-Version findet sich Externer Link: auf der Website des Spiels.
Pro und Kontra
"Classcraft" stellt eine innovative, grundsätzlich neue Möglichkeit des Unterrichtens dar und wird entsprechend kontrovers diskutiert. Während Lehrerinnen und Lehrer nach ersten Praxistests vor allem eine gesteigerte Motivation, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts der Klasse und die Bewertungstransparenz als positive Effekte hervorheben
Weitere Informationen
Externer Link: http://www.classcraft.com/de/
Preis
Grundversion kostenlos, Premium-Version 8–12 Dollar monatlich, Staffelpreise möglich
Zielgruppe
Empfohlen für den Einsatz in der 6. bis 8. Klasse